KLAPP RÖSCHMANN RIEGER – aktuelle Aufsätze und Urteile

Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer PartG mbB   München / Augsburg


Profitieren Sie von unserer Rechtskompetenz!

Der berufliche Alltag stellt Mediziner und Apotheker ständig vor neue rechtliche Herausforderungen. Hier finden Sie Aufsätze und Urteile aus verschiedenen Themenbereichen - von unseren Experten ausgewählt und verständlich aufbereitet!

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass diese Tipps und Aufsätze keine individuelle Beratung ersetzen – Sie können sich aber ausführlich informieren.

Für eine persönliche Beratung kommen Sie bitte auf uns zu und vereinbaren Sie einen Termin. Wir beraten Sie gerne.

Gewerbesteuerpflicht einer Gemeinschaftspraxis / Partnergesellschaft

Gewerbesteuerpflicht einer Gemeinschaftspraxis aufgrund unzureichender unternehmerischer Beteiligung einer neu aufgenommenen Ärztin

Der Arzt ist freiberuflich tätig und muss als solcher grundsätzlich keine Gewerbesteuer zahlen. Zwar wird die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet. Aber gerade in Städten wie München mit einem hohen Hebesatz von 490 verbleibt ein Restbetrag, der nicht angerechnet werden kann und den Steuerpflichtigen zusätzlich belastet. Auch Ärzte kann die Pflicht zu Zahlung von Gewerbesteuer treffen. Hier ist rechtliche und steuerliche Beratung unerlässlich, wie der folgende Fall zeigt, den das FG Münster, Az. 1 K 1193/18 am 26.11.2021 entschieden hat.

Eine ärztliche Gemeinschaftspraxis (BAG) wurde von mehreren Augenärzten in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben. Die BAG entschloss sich, mit einer weiteren Augenärztin zusammenzuarbeiten, die bereits an einem anderen Standort praktizierte. Die Augenärztin wurde Gesellschafterin der GbR und die GbR eröffnete am Praxissitz der Augenärztin eine weitere Betriebsstätte, so dass eine ÜBAG entstand. Die ersten drei Jahre sollten als Kennenlernphase dienen, um sich unbürokratisch wieder trennen zu können. Die Augenärztin erhielt „feste“ Vorabgewinne und Gewinnbeteiligungen auf die an ihrem Standort erzielten Jahresgewinne. Die „festen“ Vorabgewinne und die fehlende Beteiligung am Gesamtgewinn der GbR führten dazu, dass die neu aufgenommene Ärztin in steuerlicher Hinsicht keine Mitunternehmerin der GbR wurde. Die fehlende Beteiligung der Augenärztin an den stillen Reserven der GbR wurde gleichfalls als Indiz für die fehlende Mitunternehmereigenschaft gewertet. In der Folge wurde die Tätigkeit der Augenärztin nicht als die einer Mitunternehmerin der GbR gewertet, sondern sie wurde als Arbeitnehmerin bzw. Scheinselbständige qualifiziert.

Die neu aufgenommene Augenärztin wurde auch nicht von den anderen Ärzten angeleitet und kontrolliert, so dass ihre Arbeitsleistung nicht als Mithilfe im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG qualifiziert werden konnte. Grundsätzlich kann ein freiberuflich Tätiger sich auch der Mithilfe angestellter Ärzte bedienen, wenn er sie anleitet. Das war bei der Augenärztin nicht möglich, da sie an einem anderen Standort praktizierte, wo sie nicht angeleitet werden konnte. Die Tätigkeit der Augenärztin als Subunternehmerin der Gemeinschaftspraxis führte dazu, dass die BAG gewerbesteuerpflichtig wurde. Damit hat sich ein Risiko verwirklicht, an das sicherlich keiner der Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis gedacht hat, als man die neue Augenärztin zur Probe aufnahm.

Gewerbesteuerpflicht einer Partnerschaftsgesellschaft bei ausschließlicher Managementtätigkeit eines Arztes

Gerade in größeren zahnärztlichen Gesellschaften wie beispielsweise einer Partnerschaftsgesellschaft stellt sich oft heraus, dass einer der Partner besonders geschickt im Umgang mit sogenannten Managementthemen ist. Er kümmert sich um die Gespräche mit den Mitarbeitern, stellt Personalpläne auf, kommuniziert mit der Ärztekammer und der KV und verhandelt mit Lieferanten und Vermietern und vieles mehr. Aber Obacht. Wenn seine Tätigkeit sich darauf beschränkt und er aufgrund der Größe der Praxis nicht mehr „direkt behandelnd“ tätig ist, führt das unweigerlich dazu, dass die gesamten Einnahmen der Partnerschaftsgesellschaft der Gewerbesteuer unterfallen. Die Details lassen sich der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 16.09.2021, Az. 4 K 1270/19 entnehmen.

Benachteiligung von Investor-MVZ (iMVZ) unzulässig

Seit geraumer Zeit investieren Investoren in MVZ und genauso lange wird das kritisiert. Die Argumente sollen hier keine Rolle spielen, da sie hinlänglich bekannt sind. Auch wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit für private Investoren eröffnet hat, MVZ zu übernehmen, bemühen sich verschiedene Institutionen, die nicht medizinischen Investoren gegenüber den Medizinern zu benachteiligen. Dies geschieht nicht selten so, dass man kaum juristisch dagegen vorgehen kann.

In dem gerade vom Bundessozialgericht (BSG) entschiedenen Fall, Az. B 6 KA 10/21 R vom 07.09.2022 hat es die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) allerdings übertrieben. Die Abrechnungsbestimmungen der KVB sehen bislang vor, dass zur Sicherung der Abschlagszahlungen zwischen MVZ-Trägern unterschieden wird, deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind und solchen, bei denen das nicht der Fall ist. Gerade iMVZ haben als Gesellschafter keine natürlichen Personen. Die KVB verlangte nicht nur eine selbstschuldnerische Bürgschaft oder gleichwertige Sicherheitsleistungen der Gesellschafter, sondern eine Bankbürgschaft, wenn der Gesellschafter selbst wiederum eine Kapitalgesellschaft ist. Eine solche Bankbürgschaft ist heute kaum unter 2 % Avalprovision pro Jahr zu haben. Im Ergebnis führt dies zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der iMVZ, deren Gesellschafter Kapitalgesellschaften sind.

Wenn Sie als Betreiber eines iMVZ gegenüber anderen MVZ benachteiligt werden, rufen Sie uns an!

Hohe Bußgelder für Praxisinhaber, wenn bei Arbeitsverträgen Mindestangaben fehlen!

Bereits bisher waren Arbeitgeber nach dem sog. Nachweisgesetz verpflichtet, die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses schriftlich zu fixieren. Ein Verstoß dagegen führte bislang aber lediglich zu gewissen prozessualen Nachteilen in einem evtl. Arbeitsgerichtsverfahren. Ab 01.08.2022 werden nunmehr erstmals auch Bußgelder für Praxisinhaber fällig, wenn bei Arbeitsverträgen die erforderlichen Mindestangaben fehlen!

Arbeitsverhältnisse können mündlich vereinbart werden, wenn Sie die wesentlichen Vertragsbedingungen in einer Niederschrift festhalten, diese unterzeichnen und Ihren Arbeitnehmern spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung aushändigen. Schriftliche Arbeitsverträge müssen die wesentlichen Vertragsbedingungen ebenfalls enthalten, insbesondere:

  • Name und Anschrift von Arbeitnehmer und Praxis,
  • Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
  • Enddatum oder geplante Dauer bei befristeten Arbeitsverhältnissen,
  • Angaben zum Arbeitsort,
  • Kurzbeschreibung der Arbeitstätigkeiten,
  • Dauer der Probezeit,
  • Zusammensetzung, Höhe, Art und Weise der Auszahlung sowie Fälligkeit des Arbeitsentgelts,
  • Angaben zur vereinbarten Arbeitszeit und zu vereinbarten Pausen,
  • Dauer des Urlaubs sowie,
  • Informationen zum Verfahren bei Kündigungen (mindestens Hinweise auf das Schriftformerfordernis der Kündigung, auf einzuhaltende Kündigungsfristen und die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage).

Achtung:

Diese Anforderungen müssen nicht nur für neue Arbeitsverhältnisse ab dem 01.08.2022 beachtet werden – auch Bestandsmitarbeiter können von Ihnen verlangen, dass ihnen auf Aufforderung innerhalb von einer Woche ein schriftlicher Nachweis der für das Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen ausgehändigt wird!

Wer die neuen Verpflichtungen nicht beachtet, muss mit Geldbußen von bis zu 2.000,- Euro rechnen! Gerade wer sich von einem Mitarbeiter trennen will, muss nach dem 01.08.2022 damit rechnen, dass die zuständigen Behörden informiert werden, wenn die Arbeitsverträge den Anforderungen des Nachweisgesetzes nicht genügen!

Schützen Sie sich vor Geldbußen von bis zu 2.000,- Euro und passen Sie Ihre Arbeitsverträge umgehend an. Bei Fragen können Sie sich gerne an uns wenden.

Gesellschafter eines MVZ mit Anstellungsgenehmigung sollten jetzt schnell handeln!

Viele MVZ wurden als GmbH oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Oftmals sind Vertragsärzte in diesen Gesellschaften nicht selbständig tätig, sondern sie haben mit der Trägergesellschaft einen Anstellungsvertrag geschlossen, weil sie sich dadurch größere Flexibilität bei der Nutzung ihrer Vertragsarztsitze erwarteten. Grundsätzlich sieht das Vertragsarztrecht vor, dass Ärzte in einem MVZ als Angestellte oder als (freiberufliche) Vertragsärzte tätig sein können, § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V. Daher haben viele Vertragsärzte ein MVZ gegründet und anschließend eine Anstellungsgenehmigung beim Zulassungsausschuss (ZA) beantragt und erhalten. Dabei wurde oft übersehen, dass ein Gesellschafter nur dann sozialversicherungspflichtig angestellt werden kann, wenn er keinen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt kann. Besteht dieser beherrschende Einfluss, kann eine Anstellung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht erfolgen:

Aus der neuen Entscheidung des BSG folgt, dass viele angestellte Ärzte in MVZ, die zugleich als Gesellschafter einen beherrschenden Einfluss haben, tatsächlich keine Mitarbeiter sind!

  • Ab sofort werden ZA keine Anstellungen von Vertragsärzten in einem MVZ mehr genehmigen werden, wenn der Vertragsarzt einen beherrschenden Einfluss auf die Trägergesellschaft hat!
  • Unklar ist, ob bestehende Anstellungsgenehmigungen Bestandschutz genießen oder ob sie widerrufen werden. Besteht kein Bestandsschutz, werden Sozialversicherungsbeiträge erstattet und der Versicherungsschutz entfällt (z.B. in der Arbeitslosenversicherung).
  • Der Gefahr von Honorarrückforderungen der KV hat das BSG eine klare Absage erteilt.

Insbesondere wenn folgende drei Punkte auf Sie zutreffen, sollten Sie sich beraten lassen:

  1. Sie sind Gesellschafter eines MVZ
  2. Sie haben eine Anstellungsgenehmigung
  3. Das MVZ hat einen oder zwei Gesellschafter

Allerdings kommt es oft auf den Einzelfall an und die Formulierung in Ihrem Gesellschaftsvertrag an. Daher raten wir Ihnen zur unverbindlichen Kontaktaufnahme mit uns, wenn Sie als Vertragsarzt in einem MVZ arbeiten und eine Anstellungsgenehmigung haben!

BSG: 26.01.2022
Az. B 6 KA 2/21

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Oberstes Sozialgericht unterstützt Eltern: Entlastungsassistent für freiberufliche Ärzte kann bis zur Volljährigkeit eines Kindes beantragt werden.

Ärzte dürfen während der Zeiten der Erziehung von Kindern bis zur Dauer von 36 Monaten einen Assistenten beschäftigen. So weit so gut. Allerdings lässt die Regelung in § 32 Abs. 2 Ziffer 2 Ärzte-ZV manche Fragen unbeantwortet. Bis zu welchem Lebensalter darf eine Ärztin oder ein Arzt den Nachwuchs als Kind ansehen, um einen Entlastungsassistenten zu beantragen? Was gilt, wenn eine Ärztin mehrere Kinder hat? Steht dem Vater oder der Mutter ein Entlastungsassistent nur einmal zu oder gilt der Anspruch für jedes Kind? Und falls die letzte Frage bejaht wird: Darf die ärztliche Mutter oder der ärztliche Vater nicht verbrauchte Zeiten auf ein anderes Kind übertragen?

In dem vom Bundessozialgericht (BSG) entschiedenen Fall geht es um eine Frauenärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit zwei Adoptivsöhnen. Der eine wurde 1999 geboren, der andere 2005. Sie stellte zunächst einen Antrag auf Beschäftigung eines Entlastungsassistenten für die letzten beiden Jahre vor der Volljährigkeit ihres älteren Adoptivsohnes, den die KÄV mit dem Hinweis auf das Alter des Kindes ablehnte. Einem weiteren Antrag für den jüngeren Sohn wurde dagegen zunächst stattgegeben. Später wurde ein weiterer Antrag für den jüngeren Sohn ebenfalls mit dem Hinweis abgelehnt, dass auch der jüngere Sohn nun älter als 14 Jahre sei. Im Ergebnis kommt das BSG zu dem für Eltern guten Ergebnis, dass keiner gesetzlichen Regelung eine Beschränkung des Alters eines Kindes entnommen werden kann. Dem Antrag auf Beschäftigung eines Entlastungsassistenten kann von der KÄV nur dann abgelehnt werden, wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat. Auch kann die KÄV die Genehmigung nicht von der persönlichen Reife eines Kindes abhängig machen. Diese Entscheidung sei alleine der Vertragsärztin bzw. den Eltern vorbehalten. Das BSG stellt auch klar, dass dem Vertragsarzt bzw. der Vertragsärztin für jedes Kind ein Entlastungsassistent für eine Dauer von bis zu 36 Monaten zusteht. Das gilt genauso wie bei dem Vertretungsrecht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Geburt. Auch dieses Vertretungsrecht besteht für jedes weitere Kind. Allerdings wird der Zeitraum von 36 Monaten pro Kind ggf. dadurch eingeschränkt, dass in diesem Zeitraum ein weiteres Kind geboren wird. In diesem Fall steht der Mutter oder dem Vater selbstverständlich ein weiterer Zeitraum von 36 Monaten für das zweite Kind zur Verfügung. Der nicht verbrauchte Restzeitraum für das erste Kind kann aber nicht übertragen werden und verfällt sozusagen. Hier bleibt Eltern nur der Rat, dass sie die Geburtstermine entsprechend der geplanten Entlastungszeiten planen.

BSG: 14.07.2021
Aktenzeichen B 6 KA 15/20

Sonderbedarf: Anstellungsgenehmigung im MVZ auch mit nur 25 % zulässig

Bei einer Sonderbedarfszulassung muss nachgewiesen werden, dass die Nachfrage so groß ist, dass eine Praxis wirtschaftlich geführt werden kann. Dafür ist grundsätzlich mindestens ein halber Versorgungsauftrag erforderlich. Diese Anforderung ist ohne weiteres nachvollziehbar, wenn es sich um eine neue Praxis handelt, da vermieden werden soll, dass in überversorgten Gebieten künstlich Nachfrage erzeugt wird. Ungeklärt war allerdings bisher, ob dies auch dann gilt, wenn ein MVZ einen Arzt auf einer Viertelstelle anstellen möchte.

Der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) lag ein Fall zugrunde, in dem ein MVZ eine Ärztin mit einem Versorgungsauftrag von 25% anstellen wollte. Zugleich wollte ein in demselben MVZ angestellter Arzt, für den eine wirksame Anstellungsgenehmigung wegen Sonderbedarfs von 100 % vorlag, auf 25% zugunsten dieser Ärztin verzichten. Im Ergebnis hat sich dadurch die Versorgungslage nicht geändert. Beide Ärzte zusammen wollten eine volle Stelle ausüben. Und dennoch haben das SG Stuttgart und das LSG Baden-Württemberg diesem Ansinnen eine klare Absage erteilt. Das Verfahren dauerte bis zur Entscheidung rund 7 Jahre (!), die ursprünglich interessierte Ärztin war an der Viertelstelle gar nicht mehr interessiert. Nun hat das BSG beide Entscheidungen aufgehoben und entschieden, dass in Fällen, in denen einem MVZ mehrere Anstellungsgenehmigungen erteilt wurden, ein Anrechnungsfaktor von lediglich 0,25 zulässig ist.

Dabei ist zu beachten, dass vor dem ZA für die Reduzierung von 100% auf 75% und die neue Viertelstelle ein eigenständiges Verfahren auf Feststellung des Sonderbedarfs durchzuführen ist. Das MVZ kann nicht von sich aus entscheiden, ob es den Versorgungsauftrag mit einem angestellten Arzt zu 100% oder zwei angestellten Ärzten zu je 50% erfüllt. Vielmehr muss der ZA bei jeder Änderung des Umfangs der Anstellung überprüfen können, wie die aktuelle Versorgungslage aussieht. Die Bedarfsprüfung im konkreten Fall ergab indes, dass sich an der Versorgungslage nichts verändert hatte, so dass grundsätzlich eine volle Stelle zu genehmigen war.

Der vielfach kritisierten Auffassung des LSG Baden-Württemberg hat das BSG nun eine eindeutige Absage erteilt. Offensichtlich ließ sich das oberste deutsche Sozialgericht von den Ausführungen des MVZ überzeugen, dass für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung trotz unzureichender Versorgungslage höchstmögliche Flexibilität forderte. Insbesondere verwies das klagende MVZ auf § 19a Ärzte-ZV, der ausdrücklich vorsieht, dass ein Arzt seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte oder Dreiviertel reduzieren kann. Da die Anstellungsgenehmigung dem MVZ erteilt wird und nicht dem anzustellenden Arzt oder der Ärztin, wäre es dem MVZ sonst nicht möglich, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen, wenn ein Arzt oder eine Ärztin auf eine Dreiviertelstelle reduzieren will und zugleich das MVZ nicht im Umfang einer Viertelstelle nachbesetzen darf.

Diese Klarstellung ist im Sinne der MVZ zu begrüßen.

Vorentscheidung: LSG Baden Württemberg; 28.04.2021,
Aktenzeichen: L 5 KA 184/18
BSG: 06.04.2022
Aktenzeichen: B 6 KA /21 R

BSG stärkt Rechte der Gemeinschaftspraxen bei der Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen

Ärzte einer Gemeinschaftspraxis können sich ihre Arbeit aufteilen, wie sie es selbst für sinnvoll halten. Damit haben die Fallzahlen des einzelnen Arztes auch keine Auswirkungen auf eine Nachbesetzung-Fähigkeit seines Vertagsarztsitzes. Mit dieser Entscheidung stärkte das Bundessozialgericht (BSG) die Rechte von Gemeinschaftspraxen. Im konkreten Fall waren zwei Chirurginnen vor Gericht gezogen, deren Kollege im Mai 2015 nach längerer Krankheit verstorben war. Mit nur 24 bis 132 Fällen im Quartal hatte er bereits in den Jahren zuvor deutlich unter den durchschnittlich 750 Fallzahlen der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) gelegen. Im letzten Quartal hatte er nur noch vier Patienten behandelt. Der Zulassungsausschuss vertrat die Meinung, der verstorbene Chirurg habe daher seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr in dem Umfang erfüllt, der für eine volle Nachbesetzbarkeit seines Vertragsarztsitzes erforderlich wäre. Aus diesem Grund sei nur noch ein halber Sitz nachzubesetzen. Das Sozialgericht Berlin war dieser Argumentation gefolgt.

Der Vertragsarztsenat des BSG jedoch stellte klar, dass bei der Nachbesetzung eines Arztes in einer Gemeinschaftspraxis nicht die Fallzahl des Einzelnen entscheidend ist. Die BAG habe nur eine Abrechnungsnummer. Behandlungen, an denen mehrere Ärzte beteiligt gewesen seien, blieben am Ende ein Behandlungsfall. Die BAG sei daher eine Einheit, an der auch die Zuordnungen der Leistungen des einzelnen Arztes anhand der lebenslangen Arztnummer (LANR) nichts ändere. Der Senat entschied zudem, dass bei der Prüfung, ob ein Sitz halb oder gar komplett eingezogen wird, „die berechtigten Belange der verbleibenden Mitglieder einer BAG zu berücksichtigen“ und auch an der Struktur der BAG auszurichten sind. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, ob die über die Jahre gewachsene Praxis ohne die Nachbesetzung überhaupt in gewohnter Form langfristig weitergeführt werden könne. Im konkreten Fall wurde die Auslastung der Praxis an ihrem Standort als klares Indiz dafür gewertet, dass sie einen relevanten Stellenwert in der örtlichen Versorgung habe.

Mit diesem Urteil werden die Rechte einer BAG gestärkt – auch im Vergleich zu Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), deren Sitze ohne Prüfung nachbesetzt werden.

BSG; 27. Juni 2018
Aktenzeichen: B 6 KA 46/17R

Ein MVZ darf kein MVZ gründen

Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) darf kein weiteres MVZ gründen. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) eindeutig entschieden.

Vor Gericht gezogen war ein Apotheker, der als alleiniger Gesellschafter ein MVZ Tumorzentrum in Thüringen gegründet hatte und die Errichtung eines weiteren MVZ in einem anderen deutschen Bundesland plante. Dabei kam ihm eine Neuregelung in die Quere: Im Jahr 2012 nämlich wurde der Kreis der gründungsberechtigten Gesellschafter eines MVZ im Rahmen des Versorgungsstrukturgesetzes gesetzlich eingeschränkt. Reha-Zentren, Pflegedienste und unter anderen auch Apotheker waren damit grundsätzlich ausgeschlossen. Der Apotheker suchte einen Ausweg: Anstelle seiner Person sollte nun das bereits bestehende MVZ in Thüringen als Gründer des neuen MVZ eintreten. Der Zulassungsausschuss wies dieses Konstrukt jedoch ab. Erst als der Apotheker seinen Gesellschaftsanteil einem Arzt übertrug, stand der Gründung des neuen MVZ nichts mehr im Wege.

Unabhängig davon ließ der Apotheker den Ablehnungsbescheid gerichtlich prüfen. Sein Argument: Der Kreis potentieller Gründer müsse gesetzlich erweitert werden. Auch Zahnärzte und Psychotherapeuten, die nicht im Gesetz genannt seien, dürften schließlich ein MVZ gründen. Das gleiche Recht müsse daher auch für bereits bestehende MVZ gelten. Das Sozialgericht Marburg (AZ: S12KA117/13) wies die Klage ab. Dagegen gab das Landessozialgericht Hessen (AZ: L4KA20/14) dem Apotheker Recht. Das Bundessozialgericht Kassel wies die Klage jedoch nun in letzter Instanz ab. Begründung: Der Kreis der gründungsberechtigten Einrichtungen und Personen sei abschließend aufgezählt Das Gesetz gebe keinen Anlass, den Gründerkreis zusätzlich zu erweitern. Auch das Argument des Bestandsschutzes ließen die Bundessozialrichter in diesem Fall nicht gelten. MVZ, die vor den neuen Gründungsbestimmungen zugelassen wurden, dürften schließlich in der alten Konstellation weiterarbeiten - auch wenn sie von mittlerweile nicht mehr zugelassenen Gründern wie eben Apothekern gegründet worden seien.

Die Entscheidung des BSG stieß auf Zustimmung, weil damit auch möglicherweise fragwürdigen Fremdinvestoren hinter dem Träger eines MVZ endgültig der Zugriff verwehrt ist.

BSG; 16. Mai 2018
Aktenzeichen: B 6 KA 1/17 R

Bestandsgefährdung Praxismietvertrag durch mündliche Nebenvereinbarungen

Die dauerhaft gesicherte Möglichkeit zur Nutzung der Praxisräumlichkeiten ist für viele niedergelassene Ärzte eine der wesentlichen Grundlagen ihrer wirtschaftlichen Existenz. Denn ein Wechsel des Praxisstandortes ist nicht nur mit meist beträchtlichen Umzugskosten sondern häufig auch mit einer Gefährdung des Patientenstammes verbunden.

Rechtsschutz vor geschäftsschädigender Bewertung im Internet

In einer in der Presse vielbeachteten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof am 01.07.2014 einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch des klagenden Arztes gegen das Ärztebewertungsportal www.sanego.de auf Bekanntgabe der Anmeldedaten des Bewertenden.